00:00:01
In unseren heutigen HRM-Hacks dreht sich im weitesten Sinne alles um das Thema Recruiting. Was es zu beachten gibt, wenn Unternehmen Mitarbeiter über verschiedene Kommunikationskanäle suchen. Mein Gesprächspartner ist Jürgen Grenz, ein absoluter Experte auf dem Gebieten Jobvermittlung und Stellenmärkte.  Bereits ab 1996 baute er fach- und regionalbezogene Stellenbörsen auf. Mit dem onlinebasierten Akquise-Tool Index Anzeigendaten wertet er seit vielen Jahren täglich die Print- und Online-Stellenmärkte im gesamten deutschsprachigen Raum und zehn europäischen Ländern aus. Jürgen Grenz ist seit 2001 Geschäftsführer der index Internet und Mediaforschung GmbH.

Jürgen Grenz über Stellenanzeigen
Jürgen Grenz

00:02:20
Alexander Petsch: Ist im Zeitalter von Corona die Stellenanzeige überhaupt noch relevant? Oder ist die Stellenanzeige tot?

00:02:34
Jürgen Grenz: Wir haben ja bewegte Monate hinter uns in der HR-Branche und damit ergibt sich auch die Frage, ob die schon oft totgesagte Stellenanzeige auch diese Phase gut überstanden hat. Wir haben eine Auswertung gemacht und können im ersten Quartal 2021 gegenüber dem ersten Quartal 2020 immer noch einen leichten Rückgang von zirka zehn Prozent an Stellenanzeigen feststellen. Wobei die Anzahl der Firmen, die Stellenanzeigen schalten, nur noch zwei Prozent hinter dem Wert vom Vorjahr liegt. Wenn wir aber jetzt in den März hineinschauen, sieht das Bild schon wieder ganz anders aus. Da haben wir im Vergleich zum Vorjahr schon wieder 30 Prozent mehr Stellenanzeigen. Und das, obwohl wir uns ja immer noch in der Lockdown-Phase bewegen. Vor einem Jahr, Mitte März 2020, fing der Lockdown ja eigentlich erst an. Die ersten Auswertungen zum April sehen so aus, dass wir da schon wieder 40 Prozent über dem Vorjahr liegen. Die oft totgesagte Stellenanzeige ist also quicklebendig. Sie ist immer noch das zentrale Medium, um neue Mitarbeiter zu finden und anzusprechen.

00:03:51
Alexander Petsch: Das finde ich erst mal extrem erfreulich, dass die Zahlen trotz Corona sich im HR- Bereich so dynamisch wieder entwickeln und auf Vorkrisenniveau sind. Das spiegelt übrigens die Erfahrung unserer Partner aus den vergangenen Wochen wider. Wenn die Stellenanzeige weiter das Mittel der Wahl ist, worauf muss ich denn achten oder wie geht es besser?

00:04:17
Jürgen Grenz: Bevor man an die Stellenanzeige rangeht, sollte man sich die Frage stellen: Habe ich meine Employer Brand überhaupt definiert? Also weiß ich, wer ich eigentlich bin, wie meine Arbeitgebermarke aussieht, was mich als Unternehmen eigentlich auszeichnet. Wenn ich das nicht weiß, kann ich nicht glaubwürdig in einer Stellenanzeige nach außen treten. Ich muss wissen, was für ein Image-Ich ich habe. Wenn Sie Skoda sind, können Sie in der Stellenanzeige nicht als Mercedes auftreten. Das nimmt Ihnen keiner ab. Oder wenn Sie eine leistungsorientierte Unternehmenskultur haben, dann passt keine „Blumenwiese im Auftreten“ zu Ihnen. Das sind Fragestellungen, bei denen wir immer wieder feststellen, dass sich Unternehmen im Vorfeld nicht genug Gedanken machen.

  • Wer sind wir?
  • Wie wollen wir nach außen wirken?
  • Was passt zu uns und welche Menschen passen uns?

Wenn diese Fragen geklärt sind, dann kann man konkret rangehen, wie muss denn so eine Stellenanzeige aussehen? Es gibt viele Tipps, wie professionelle Stellenanzeigen auszusehen haben. Bei diesem Thema hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Professionalisierung abgespielt. Also kein schnelles Runterschreiben einer Stellenanzeige mehr, wie es früher mal gab, dass die Assistenz mal kurz etwas formuliert hat. Das hat sich doch deutlich geändert.

Der erste Punkt geht in Richtung Aufmachung, das heißt, wie ist die Gestaltung? Wie ist die Bildsprache? Wie ist die textliche Ansprache formuliert? Das sind ganz wesentlichen Faktoren, in denen sich ganz viel getan hat. Hier gibt es viele Untersuchungen, beispielsweise mithilfe von iTracking. Die Auswahl der Bilder ist ganz entscheidend für die Wirksamkeit einer Stellenanzeige. Eng damit verbunden ist auch die Frage: Passt denn meine Stellenanzeige zum allgemeinen Bild meines Unternehmens, zur Firmenseite und zur Karriereseite? Oder gibt es da gestalterische und inhaltliche Brüche? Wie ist meine Aufmachung gemacht? Ist es professionell gestaltet oder habe ich in dem Bereich noch Defizite?

00:06:41
Alexander Petsch: Hack eins also „Wer bin ich, für was stehe ich?“ Es geht darum ein stimmiges Bild abzugeben. Hack zwei ist die passende Bildsprache dazu. Wie sieht es mit Bildern versus Video aus? Wie schätzen Sie das ein?

00:06:56
Jürgen Grenz: Ich würde nicht sagen „versus“, sondern „und“. Das eine lässt sich heute nicht mehr vom anderen trennen. Wobei man natürlich mit Bildern deutlich flexibler ist als mit Video. Hier ist die Produktion doch nochmal aufwendiger. Viele Firmen scheuen noch diesen Aufwand. Aber es gibt genug Untersuchungen, die zeigen, dass Videos auch sehr gut funktionieren in Kombination mit Stellenanzeigen.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Positionsbezeichnung. Was schreibe ich in den Titel meiner Stellenanzeige rein? In welchen Kategorien denken denn die Suchenden? Wir stellen immer wieder fest, dass die Firmen viel zu sehr von sich selbst ausgehen. Wenn in Ihrem Unternehmen die Position als Customer Success Manager  bezeichnet wird, dann steht das oft auch so in der Stellenanzeige und man überlegt nicht, wie viele Leute suchen denn nach einem Customer Success Manager? Oder würden nicht viel mehr Menschen nach einem Kundenberater oder Sales Manager oder Vertriebsmanager suchen? In diesem Bereich werden doch ganz, ganz viele Fehler gemacht. Da wird auch nicht die Möglichkeit genutzt, sich von erfahrenen Dienstleistern nochmal beraten zu lassen. Da werden sehr oft auch die Stellenbörsen nicht gefragt, die ja mittlerweile sehr professionell beraten. Diese können genau sagen, was für Klickraten bei bestimmten Stellenbeschreibungen zu erwarten sind. Man sollte viel größeres Augenmerk auf die Positionsbeschreibungen legen. Diese nicht einfach so runterschreiben und vor allem nicht firmenspezifische Bezeichnungen verwenden, die sonst kaum einer kennt oder nutzt.

00:08:39
Alexander Petsch: In meinem Netzwerk habe ich Personaler, die sogar so weit gehen, dass Sie A/B-Tests für Positionsbezeichnung machen, und Positionen oder Stellenanzeigen kurzfristig bei einem Cost-per-Klick-Anbieter in zwei Varianten gegeneinander laufen lassen. Anschließend entscheiden sie sich für die Version, die ein besseres Ergebnis liefert.

00:09:03
Jürgen Grenz: Wunderbar, kann man nur empfehlen. Mehrmaliges Testen ist sowieso ein Erfolgsgeheimnis.

00:09:09
Alexander Petsch: Und dann hat man natürlich auch über Google die Möglichkeit herauszufinden, wie das Suchvolumen zu einzelnen Begriffen ist. Und das ist ganz spannend. Natürlich macht es viel mehr Sinn, Positionsbezeichnungen zu verwenden, die auch eine hohe Google-Relevanz haben. Das wäre mein kleiner Tipp: wenn man die männliche und weibliche Form nutzt, dann jeweils ein Leerzeichen zwischen der männlichen Form, dem Schrägstrich und der weiblichen Form setzen. Das Suchaufkommen für die männliche Form ist in vielen Fällen viel, viel höher als das für die weibliche Form. Und die Indexierung bei den Suchmaschinen und Stellen-Aggregatoren ist so auch besser, weil sonst vielleicht der Haupt-Suchbegriff als ein „unbekanntes Wort mit Schrägstrich“ indexiert wird. Auf die oben genannte Art und Weise wird man einfach besser gefunden.

00:09:57
Jürgen Grenz: Ein weiterer Tipp wäre, die Stellenanzeigen zu individualisieren. Der immer gleiche textliche Aufbau, auf den man früher zurückgriff, egal ob man einen Azubi oder einen Vertriebler gesucht hat, ist heute nicht mehr Standard. Es geht darum, wie macht man die Ansprache, duzt man sich oder siezt man sich?  Welche Keywords, die für die Zielgruppen wichtig sind, nutzt man in der Stellenanzeige? Das geht nicht nur zwischen den einzelnen Berufsgruppen hin und her. Die Frage ist auch, spreche ich vorwiegend Frauen an? Ich darf natürlich nicht diskriminieren, aber es gibt natürlich Berufe, bei denen es zu 80, 90 Prozent um weibliche Mitarbeiterinnen geht. Andere Berufe sind immer noch eine schwere Männerdomäne. Oder spreche ich gezielt das andere Geschlecht an? Wir führen gerade eine Studie zum Thema „Frauen im Vertrieb“ durch, wobei sich schon jetzt zeigt, dass Frauen zum Teil einfach andere Präferenzen haben als Männer. Für Frauen sind im Beruf andere Dinge wichtig als für Männer. Und man tut natürlich dann gut dran, in der Ansprache gezielt diese Schlüsselbegriffe in die Stellenanzeige einzubauen. Also ein ganz, ganz wichtiges Thema ist diese Individualisierung. Viele machen das jetzt schon, insbesondere im Azubi-Bereich hat sich das in den letzten Jahren sehr stark verbreitet. Innerhalb der Berufsgruppen ist es jedoch immer noch nicht Standard, dass man da ein bisschen differenziert, wie die Leute da angesprochen werden.

00:11:40
Alexander Petsch: Kann ich gut nachvollziehen.

00:11:42
Jürgen Grenz: Ganz eng verbunden mit dem Thema ist der Punkt „Innere Konzeption einer Stellenanzeige“. Es gibt ja diesen klassischen Aufbau mit der Unternehmensbeschreibung, was musst du mitbringen, was bieten wir dir an, et cetera. Und da stellt man immer wieder fest, dass ein ganz starkes Missverhältnis besteht. Der Bereich „Was musst du mitbringen“ oder „Was wollen wir von dir“ ist deutlich stärker ausgeprägt als der Bereich „Was können wir dir anbieten“. Und trotz Corona, wir befinden uns immer noch in einem Bewerbermarkt, der Fachkräftemangel ist weiterhin da. An dieser Situation hat sich nichts geändert. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, attraktiv dem Bewerber gegenüberzutreten.

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch ein realistisches Wunschdenken seitens des Arbeitgebers. Man sucht oft die eierlegende Wollmilchsau, die es so nicht gibt. Hier besteht die Gefahr, dass ich damit potentielle Bewerber abschrecke. Besser sollte man sich fragen, was der Kandidat denn unbedingt mitbringen sollte. Kann ich jemand vielleicht auch etwas beibringen? Dass man dann wirklich sagt, in Ordnung, das sind bei uns Schlüsselfaktoren, das wünschen wir uns auf jeden Fall. Und von den fünf Sprachen, die du mitbringen solltest, reichen vielleicht auch zwei. Ganz wichtig für die Personalabteilung ist auch, sich bei diesem Punkt intensiv mit der jeweiligen Fachabteilung auseinanderzusetzen. Nicht alles unhinterfragt zu übernehmen, was die als notwendige Anforderungen betrachten, sondern wirklich um jeden Punkt zu kämpfen. Denn mit jedem zusätzlichen Filter schrecken sie praktisch Bewerber ab. Das wäre ein Tipp, sich damit intensiv  auseinanderzusetzen, die Anforderungen runterzuschrauben und sich auf das tatsächlich Essentielle zu konzentrieren.

00:13:4
Alexander Petsch: Das erinnert mich an ein Partner von uns, der einen Bewerbertest entworfen hatte und dann irgendwann festgestellte, es kommt kaum einer durch. Dann hat er die Anforderungen im Test immer weiter runtergeschraubt. Das erinnert mich ein bisschen an Ihre Worte, dass man in eine Stellenanzeige nicht zu umfangreiche Anforderungen reinpacken sollte. Jeder Bewerber tickt anders. Der eine empfindet das vielleicht als Herausforderung oder ist der Meinung, meine Fähigkeiten in dem Bereich sind gut genug. Der andere ist vielleicht eher zurückhaltend und zweifelt an seiner Eignung, obwohl er vielleicht durchaus für den Job befähigt wäre. Und der bewirbt sich dann gar nicht erst.

00:14:42
Jürgen Grenz: Ja. An dieser Stelle vielleicht noch einen weiteren Tipp, und zwar hinsichtlich des Schaltungkonzeptes. Also mittlerweile ist das Mediumspektrum deutlich vielfältiger als noch vor Jahren. Früher schaltete man überregionale Anzeigen in der FAZ oder in der Süddeutschen, und die regionalen beispielsweise im Mannheimer Morgen. Heutzutage es gibt eine Reihe von sehr guten überregionalen Jobbörsen. Wir haben mittlerweile auch sehr viele Fach-Jobbörsen. Andererseits stellt man aber fest, dass sich die Ausgaben deutlich reduziert haben, was an für sich einen Widerspruch darstellt. Um die Jahrtausendwende haben Firmen noch doppelt bis dreimal so viel in das Schalten von Stellenanzeigen investiert als heutzutage.  Auf der einen Seite also diese Geiz-ist-geil-Einstellung und niedrigere Budgets für das Recruiting, auf der anderen Seite klagt alle Welt über Fachkräftemangel. Daher empfehle ich, sich wirklich Gedanken zu machen, wo ich meine Stellenanzeige überall positionieren kann. Wann macht es Sinn, nicht nur auf einzelne Pferde zu setzen, sondern eine möglichst breite Schaltung hinzubekommen?

00:16:24
Alexander Petsch: Wenn ich das richtig verstehe, empfehlen Sie eine Kombination aus Reichweite und Spezialisierung.

00:16:36
Jürgen Grenz: Ja, um eine möglichst gute Abdeckung hinzubekommen. Das sind aktuell meine Tipps, was die Stellenanzeige, Gestaltung oder Aufmachung oder Professionalisierung bei der Erstellung einer Stellenanzeige eigentlich betrifft.

00:16:53
Alexander Petsch: Zum Thema Schaltungskonzept: Ich hatte mir mal die Traffic-Zahlen zu Stellenanzeigen näher angesehen und war überrascht, dass montags der Peak ist und nicht freitags oder übers Wochenende. Man denkt, die Leute suchen am Wochenende, das ist aber nicht so. Sie suchen vermehrt, wenn sie motiviert aus dem Wochenende kommen. Das fand ich ganz überraschend im Vorfeld. Und dann vielleicht auch noch einen Hack oder einen Tipp, wenn man mit Jobbörsen spricht und verhandelt: Es gibt ja die Möglichkeit des Refreshs. Das heißt, man sollte im Vorfeld möglichst viele Refresh vereinbaren, damit die eigene Anzeige immer wieder oben erscheint und nicht innerhalb der vielleicht 30 Tage Laufzeit nach unten rutscht. Wenn die Stelle danach noch nicht besetzt worden ist, hier ein weiterer Hack: die Anzeige nach 30 Tagen nicht verlängern, sondern löschen und dann völlig neu schalten. Damit bei den Suchergebnissen sozusagen wieder eine neue Anzeige erscheint.

00:18:02
Jürgen Grenz: Das ist ein guter Tipp. Dazu kann ich vielleicht etwas ergänzen. Wir haben das auch über Jahre ausgewertet, wie die Reaktion auf Stellenanzeigen aussieht. Und festgestellt, dass im Januar und Februar die Resonanz auf Stellenanzeigen am höchsten ist. Das ließ sich über viele Jahre beobachten.

Vielleicht noch einen allerletzten Punkt. Was viele vergessen, ist die Reaktionszeit auf die Stellenanzeige. Bewerber oder Bewerberinnen sind daran gewöhnt, bei Amazon heute zu bestellen und morgen beliefert zu werden. Die wollen nicht zwei Wochen auf eine Antwort auf ihre Bewerbung warten. Das kann die schönste Stellenanzeige sein, aber wenn ich das nicht in den Griff kriege, dann wirkt das unprofessionell und wertet das ganze Bild des Unternehmens ab.

00:19:05
Alexander Petsch: Ja, wir leben in einer schnelllebigen Welt und in einer digitalen Zeit.

Lieber Herr Grenz, herzlichen Dank für Ihre Expertise und das Teilen vieler Tipps und Tricks mit der HRC-Community. Mir hat es viel Spaß gemacht.

00:20:06
Jürgen Grenz: Mir auch, vielen Dank.

00:20:07

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